Claus Peter Müller
von der Grün

Was wird aus unseren Krankenhäusern?

Prof. Dr. Boris Augurzky spricht nicht mehr von Krankenhäusern, sondern von Gesundheitsversorgern. Bis 2025, sagt der Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit beim RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, werden sich die Strukturen im Gesundheitssystem verändern.


Une nouvelle polyclinique en France: Und was verändert sich bei uns?
Foto: Karola Müller von der Grün

Der demographische Wandel wirkt - schneller, als wir es heute für möglich halten. Einerseits wird die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steigen, wenn immer mehr Menschen immer älter werden, entwirft der Wissenschaftler die Skizze seiner Überlegungen. Andererseits werden die Ressourcen, um diese Leistungen bereit zu stellen, immer knapper. Denn von der Mitte des kommenden Jahrzehnts an werden immer mehr Menschen in den Ruhestand gehen. Das wird auch und vor allem das Gesundheitssystem zu spüren bekommen. „Was werden wir tun, um Rationierung zu vermeiden und die Versorgung auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten?“, fragt Prof. Dr. Augurzky. Der Beitrag zur Sozialversicherung könnte erhöht und das Leistungsspektrum eingeschränkt, zumindest aber in Richtung Prävention verschoben werden. In jedem Fall müssen Effizienzreserven gehoben werden.

Intelligente Lösungen sind gefragt: Eine Art Praxisgebühr oder Eigenbeteiligung könnte systemübergreifend die unnötige Inanspruchnahme des Gesundheitssystems eindämmen und vor allem Patienten stärker lenken. Als die Praxisgebühr einst eingeführt wurde, ging zwar die Zahl der Arztbesuche zurück, aber die Lebenserwartung stieg weiter. Als die Gebühr abgeschafft wurde, stieg die Nachfrage nach Leistungen der Notfallambulanz in Krankenhäusern sprunghaft an und bereitet den Krankenhäusern heute Kopfzerbrechen. Gesünder sind die Deutschen deshalb nicht.

Die Leistungsanbieter können größere Einheiten bilden und die Unlust der niedergelassenen Ärzte, aufs Land zu gehen, wird dort in Kombination mit möglichen neuen Berufen zu neuen Versorgungsstrukturen führen, die vor allem die Krankenhäuser mit dem Ausbau ihres Versorgungsangebots nutzen dürften. Im Streit zwischen ambulant und stationär schafft sich der eine Sektor im ländlichen Raum faktisch selber ab. Dann wird der andere die Lücke füllen und stationär wird zugleich ambulant, sofern es medizinisch zu verantworten und wirtschaftlich sinnvoll ist.

Die Digitalisierung wird den Wandel nicht nur antreiben, sondern ihn zugleich erst ermöglichen. Eine elektronische Patientenakte wird das Versorgungsgeschehen transparent machen und Einsparungen in ungeahnter Höhe ermöglichen. Zugleich wird die - politisch gewollte - Transparenz die gemessene Versorgungsqualität zu einem Instrument der Versorgungssteuerung entwickeln. Nur Anbieter, die überdurchschnittliche Leistungen bieten, werden Kunden haben.

Und all die Veränderungen müssen schließlich finanziert werden. Darum sieht Prof. Dr. Augurzky die Personalrekrutierung, die Digitalisierung, die Qualitätstransparenz und die Finanzierung als die Schlüsselthemen auf dem Weg in die nächste Zukunft. Das sind genau jene Themen, die wir auf dem Strategieforum Krankenhaus der Evangelischen Bank am 16./17. November 2017 in Berlin diskutieren wollen, - auch mit Professor Dr. Augurzky. Als Moderator des Forums freue ich mich auf die Debatte!