Für den Geschäftsbericht der Hessischen Landgesellschaft - die Flächenmanagerin des Landes Hessen - führte ich ein Interview mit deren Geschäftsführer Dr. Gerald Kunzelmann. Ich fragte ihn auch, ob er die Unzufriedenheit der Landwirtinnen und Landwirte nachvollziehen könne.
Hier lesen Sie seine Antwort: „Ja, ich kann die Landwirte gut verstehen. Der Dieselpreis mag der Auslöser der Proteste (zu Jahresbeginn) gewesen sein, aber die Unzufriedenheit wurzelt tiefer. Wir Landwirte, und ich war zumindest selber einer, leisten einen grundlegenden Beitrag dazu, dass die Menschen in diesem Land gut leben können. Wir produzieren Lebensmittel, die noch nie so gut und im Vergleich zu den Einkommen so günstig waren. Landwirte sind Pioniere der Energiewende und einer besseren Tierhaltung. Wir investieren mit unseren Familienbetrieben unvorstellbare Summen in Ställe, Technik und Anlagen zur Energieerzeugung. Hier geht es schnell um Millionen. Wir müssen als Familien für Zins und Tilgung geradestehen. Unser investiertes Kapital ist den Unbilden der Natur ausgesetzt und den Unwägbarkeiten der internationalen Märkte. Nur wenige Menschen können verstehen, unter welch umfassendem ökonomischen und mentalen Druck ein landwirtschaftlicher Unternehmer entscheidet und handelt. Doch statt Anerkennung für unsere Leistung und unseren Mut zu erfahren, überwölbt uns eine Bürokratie, aus der Misstrauen spricht. Permanent umkreisen Satelliten die Erde, die Aufnahmen von unseren Feldern machen und deren Zustand mit den Vorgaben der Politik abgleichen. Jede Bewegung unserer Maschinen auf dem Acker ist GPS-überwacht. Objektiv mag es um eine legitime Kontrolle des Umgangs mit der Natur und öffentlichen Mitteln gehen, aber das Gefühl, das diese perfektionierte
Überwachung beim Einzelnen auslöst, ist ein ganz anderes. Die landwirtschaftlichen Familien sind mutige Leistungsträger dieser Gesellschaft, werden aber wie hochsubventionierte Kostgänger wahrgenommen. Dabei gleichen die öffentlichen Mittel nur den Aufwand aus, den die Landwirte tragen, weil sie in der Produktion hohe ökologische Standards einhalten und zugleich mit Waren konkurrieren müssen, die auf dem Weltmarkt zu ganz anderen Bedingungen erzeugt werden.“
Ich fragte weiter: „Aber können die Bauern denn gar nichts anderes als klagen? Warum stellen sie nicht ihre Leistung für Laien nachvollziehbar heraus, anstatt den Straßenverkehr zu blockieren?“
Und Dr. Kunzelmann antwortete: „Ja, es wäre besser, selbstbewusst die großartige Leistungsbilanz aufzumachen. Das sehe ich genauso wie Sie. Aber zugleich ist es legitim, mit einer Demonstration auf sich aufmerksam zu machen. Auch mit gelbem Blinklicht, damit man die Landwirte besser sieht.“
Das komplette Interview lesen Sie im Geschäftsbericht der HLG für 2023, der nun erschienen ist:
https://www.hlg.org/artikel/geschaeftsbericht-2023/