Die Nachfrage nach Gewerbeflächen übersteigt das Angebot. Darüber hat Kai Lorenz Wittrock, Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft (WFG) Region Kassel, auf der Beiratssitzung der WFG berichtet. Ich durfte die Sitzung moderieren und die WFG in deren Konzeptionierung begleiten.
In ihrer Pressemitteilung über die Beiratssitzung schreibt die WFG, sie erhalte qualifizierte Anfragen von namhaften, international agierenden Unternehmen nach Gewerbeflächen, die bei weitem nicht alle bedient werden können. Obwohl die Region in den vergangenen Jahrzehnten an vielen Orten neue Gewerbeflächen erschlossen habe und die nachfragenden Investoren an Wirtschaftsförderer in den Nachbarkreisen vermittele, sei die Nachfrage nach Flächen in und um Kassel nicht vollständig zu befriedigen.
„Das ist ein Ausweis der Dynamik des wirtschaftlichen Wachstums in unserer Region, für die wir gemeinsam mit den Kommunen die Grundlage geschaffen haben“, sagte Wittrock. In den vergangenen 20 Jahren seien allein über 200 Hektar Flächen im interkommunalen Industriepark Kassel neu entstanden und besiedelt worden. 23 Hektar entstanden am Lohfeldener Rüssel neu, das GVZ habe 85 Hektar, und im Industriepark Kassel-Waldau seien weitere 100 Hektar entstanden. „Damit haben wir im Kasseler Südosten entlang der Autobahnen A 49 und A7 eine Gesamtfläche von 475 Hektar für Gewerbe samt Gleisanschluss geschaffen. Diese wird jetzt noch um die 75 Hektar im Gewerbepark Kassel-Niederzwehren („Langes Feld") ergänzt. Wir haben uns also auf die kommende Flächennachfrage gut vorbereitet“, rechnete Wittrock vor.
„Die Nachfrage und das Kaufinteresse an Grundstücken im Gewerbepark Kassel-Niederzwehren ist sehr groß. Mit dem Flächenangebot ermöglicht die Stadt Kassel Unternehmen, ihren Wachstumskurs in Kassel fortzusetzen. Das gilt sowohl für regionale Firmen, die in dem Raum Kassel bleiben möchten, als auch für überregionale Firmen, die sich in Kassel ansiedeln wollen“, betonte Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle. „Mit der derzeit bestehenden guten Wirtschaftslage wird sich auch der Gewerbepark Kassel-Niederzwehren positiv weiterentwickeln. Ich bin optimistisch, dass wir unser Ziel – pro Jahr ca. 4 Hektar Gewerbefläche zu verkaufen - auch in den kommenden Jahren erreichen können.“
Unbedingt müsse die Wirtschaftsregion Stadt und Landkreis Kassel die Entwicklung weiterer interkommunaler Gewerbeflächen vorbereiten. Zugleich seien die Nachverdichtung sowie die Pflege bestehender Industrie- und Gewerbegebäude und -flächen gezielt voranzutreiben. „Wir freuen uns über die Nachfrage und wir sind uns der Verantwortung bewusst, für die zukünftige Entwicklung der Region heute die richtigen Weichen zu stellen“, ergänzte Landrat Uwe Schmidt.
Wittrock mahnte, eingedenk der Erfahrungen aus den vergangenen Jahren der weiteren dynamischen Entwicklung vorausschauend Rechnung zu tragen. Um den Zweckverband Raum Kassel (ZRK) bei der Erarbeitung eines Gewerbegebietsentwicklungskonzepts zu unterstützen, habe die WFG gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer und dem ZRK eine Unternehmensumfrage gestartet. „Die Auswertung der Unternehmensumfrage hat ergeben, dass die Unternehmen mittel- bis langfristig einen weiteren Flächenbedarf für sich sehen“, fasste Wittrock das Ergebnis zusammen.
Die Verbandsversammlung des ZRK, dem die Stadt Kassel und ihre unmittelbaren Umlandgemeinden mit insgesamt gut 330.000 Einwohnern angehören, hatte schon 2019 den Beschluss gefasst, „ein Konzept zu erarbeiten, wie großflächige Gewerbegebiete im Verbandsgebiet im Einvernehmen mit den Standortkommunen grundsätzlich interkommunal entwickelt, geplant und strukturiert werden können“.
Verbandsdirektor Kai Bachmann machte deutlich, dass sich der Verdichtungsraum Kassel nur gemeinsam entwickeln könne. Die Entwicklung von Flächen für Wohnen und Gewerbe müssten Hand in Hand gehen, da eine Kommune allein die Herausforderungen nicht bewältigen werde. Das Bevölkerungswachstum im ZRG-Gebiet übersteige alle bisherigen Prognosen. Bis 2030 bestehe ein Bedarf an mehr als 22.000 Wohnungen im Verdichtungsraum. Dieser Bedarf gepaart mit einer intelligenten Verkehrsplanung könne auch positive Wachstumseffekte bis in die ländlicheren Regionen des Hofgeismarer und Wolfhager Landes hinein auslösen.
Interkommunale Gewerbegebiete, an denen sich mehrere Gemeinden beteiligten, seien unverzichtbar, aber auch die weiträumige Verkehrserschließung des Raums Kassel von der Autobahnabfahrt Breuna an der A 44 (Kassel-Dortmund) her. Für Bachmann ist das Wirtschaftswachstum der Region der Katalysator für eine nachhaltige Entwicklung: „Das gilt insbesondere, was die Umsetzung der notwendigen Standards im Bereich Klimaschutz und der Sektorenkopplung der erneuerbaren Energien angeht. Für den ZRK gilt es bereits heute bei Siedlungs- und Gewerbeentwicklungen, die Klimaziele für 2050 fest in den Blick zu nehmen und neue Benchmarks für nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung zu setzen“, sagte Bachmann.
Susanne Linnenweber, Leiterin Regionalplanung, Bau und Wohnungswesen, Wirtschaft im Regierungspräsidium Kassel, sagte, seit langem schon schwappe die positive wirtschaftliche Entwicklung aus Kassel heraus und entfalte sich entlang der Verkehrsachsen nahezu in den ganzen Regierungsbezirk auf andere Zentren zu.
Die Regionalplanung als Rahmenplanung stelle einen dauernden Prozess der Bedarfsabschätzung, Entwicklung von Ideen und Abstimmung mit allen Interessensträgern. Das Regierungspräsidium und die Regionalversammlung Nordhessen legten gemeinsam für einen Entwicklungszeitraum von 10 bis 15 Jahren Strategien und Ziele zu harmonisierten Raum- und Flächennutzungen fest. Auch in der aktuell begonnenen Neuaufstellungsphase werden nach Linnenwebers Worten neben den Erfahrungen aus der laufenden Plananwendung vor allem veränderte Rahmenbedingungen, landesweite Prognosen und Vorgaben zum Beispiel aus dem Landesentwicklungsplan sowie Erwartungen und Wünsche aller Akteure berücksichtigt. Der Abgleich aller Flächenansprüche finde dabei kommunalfreundlich und bedarfsgerecht und im Sinne einer nachhaltigen, zukunftsfesten Entwicklung statt.
So wurden im noch geltenden Regionalplan 2009 mit Planungshorizont 2020 rund 1.700 ha Vorranggebiete Industrie und Gewerbe Planung als zusätzliche Entwicklungsflächen zu den bereits im bebauten Bestand und in Bebauungsplänen vorgesehen Flächen festgelegt. Dies stelle eine großzügige Angebotsplanung dar. Daneben seien weitere oder andere Flächen aufgrund von anderen konkreten Ansiedlungswünschen durch zusätzliche Abweichungsverfahren ermöglicht worden.
Linnenweber würdigte die Zusammenarbeit zwischen den Wirtschaftsförderern in der Region, dem ZRK und den Institutionen der Wirtschaft als gut und vorteilhaft für die Entwicklung der Region. Das abgestimmte Handeln, das sich auch in der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Regionalversammlung und der Verwaltung, aber auch bei gemeinsamen Planungen und Projekten der Kommunen widerspiegele, und die gemeinsame Außendarstellung einer starken Region in der Mitte Deutschlands und Europas seien auch der Garant für die zukünftige erfolgreiche Entwicklung.
Der Beirat der WFG Region Kassel berät und unterstützt die Geschäftsführung und die Gesellschafterversammlung der WFG in allen für die kommunale Wirtschaftsförderung wichtigen Belangen. Er ist mit Vertretern der Gesellschafter, der politischen Fraktionen aus Stadt und Landkreis Kassel, Firmen, Institutionen sowie der Universität Kassel besetzt.
Der Beirat tritt ein- bis zweimal jährlich zusammen und tagt nicht öffentlich. Vorsitzender des Beirats ist Staatsminister a.D. Dieter Posch.
ZRK: Der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) als Träger der kommunalen Entwicklungs- und Flächennutzungsplanung bildet die verbindende Brücke zwischen Stadt und Landkreis Kassel. Der Planungshoheit des Verbandes zugehörig sind die Kommunen Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar. Die weiteren 19 Kommunen des Landkreises Kassel sind über die Mitgliedschaft des Landkreises mittelbar ebenfalls im Verband über die Entsandten des Kreistages in der Verbandsversammlung vertreten.
Regionalplanung NordOstHessen: Regionalplanung ist die übergeordnete, überörtlich zusammenfassende Planung für eine Region. Sie trifft Vorsorge für die einzelnen Raumfunktionen und Raumnutzungen und leistet damit einen Beitrag zur Entwicklung der Region. Träger der Regionalplanung sind die Regionalversammlungen. Ihre Geschäftsstellen sind die Regionalplanungsdezernate der Regierungspräsidien (Obere Landesplanungsbehörden). Die wichtigsten Instrumente der Regionalplanung sind die Regionalpläne und landesplanerische Verfahren.