Claus Peter Müller
von der Grün

Corona in Südafrika

„Sinnvolle Unterstützung“ bei der Impfung gegen Covid in Entwicklungs- und Schwellenländern sei nötig und gewünscht, aber die passende Hilfe zu vermitteln, „leider nicht so einfach“. Das hat Professor Dr. Wolfgang Preiser aus Südafrika im Interview mit mir gesagt.

Wolfgang Preiser ist Leiter der Abteilung für Medizinische Virologie an der Universität Stellenbosch bei Kapstadt und gilt als Mitentdecker der Omikron-Variante jenes Coronavirus, das Ende 2019 eine Pandemie ausgelöst hat. Ich sprach mit dem Virologen im Digitalformat auf einer Veranstaltung von Rotary International im Distrikt 1820.

Der Vorwurf, die armen Länder brauchten mehr Impfstoff, den die reichen Länder horteten, werde zwar häufig erhoben, werde aber der Wirklichkeit in dieser Schlichtheit nicht gerecht, brachte Wolfgang Preiser zum Ausdruck. Die Versorgung mit Impfstoff sei in Südafrika als einem Schwellenland Anfang 2021 „ganz schwierig“ gewesen, indes es „peinlich“ gewesen sei, wie sich die europäischen Länder zur selben Zeit „um die Impfstoffe gezankt haben“. Wenn reiche Länder heute Impfstoffe an ärmere spendeten, sei die verbliebene Haltbarkeit der Dosen häufig zu knapp bemessen, um unter den schwierigen Bedingungen armer Länder noch eine entsprechende Impfkampagne aufzubauen.

Unterdessen habe Südafrika genug Impfstoff, doch es sei „das Problem, diesen zu den Patienten zu bringen“. Es stellten sich zwei Herausforderungen. Zum einen seien die Menschen in ländlichen Räumen schwer zu erreichen, weil sie von Verkehrsinfrastruktur abgelegen lebten. Armen Menschen fehle es wiederum an technischer Infrastruktur, um sich persönlich auf einem digitalen Portal für die Impfung anzumelden, und Tagelöhner, von denen es zahlreiche gebe, müssten für die Impfung auf Einkommen verzichten. Zum anderen gebe es in Südafrika wie andernorts Impfgegner, und das seien „nicht vorwiegend ungebildete, arme oder abergläubische Menschen“. In „gewissen Gruppen“ gebe es eine „politische Anti-Haltung“ gegen die Regierung, die sich in Impfablehnung übertrage. Das sei schon beim Kampf gegen Ebola der Fall gewesen.

Die Entdeckung der Omikron-Variante in Südafrika sei kein Zufall gewesen, sagte Wolfgang Preiser, der am Klinikum der Goethe Universität in Frankfurt tätig war, bevor er sich 2003 als Berater der Weltgesundheitsorganisation an der Erforschung des Sars-Virus in China beteiligte und 2005 nach Südafrika ging. In Südafrika sei 2020 schon die Beta-Variante entdeckt worden, weil Südafrika im Kampf gegen HIV im ganzen Land ein mustergültiges Netzwerk kooperierender Forscher und Labore samt der genomischen Analyse und Überwachung der Virusvarianten aufgebaut habe. Wie nur wenige Länder auf der Welt, wie zum Beispiel UK, sei Südafrika in der Lage, den zeitlichen und räumlichen Verlauf der Ausbreitung einer zuvor analysierten Variante zu verfolgen und auf das Verhalten der Variante zu schließen.

Nachdem Omikron Ende 2021 entdeckt worden war, „befürchteten wir das Schlimmste“, räumte Wolfgang Preiser ein, „und wir bereiteten uns auf eine furchtbare Weihnachtszeit vor“. Erleichterung habe hingegen geherrscht, als sich zeigte, dass diese Variante zwar „unglaublich ansteckend“ sei, aber „offensichtlich eine verminderte Fähigkeit“ habe, schwere Erkrankungen auszulösen. Diese Erkenntnis habe sich unterdessen erhärtet. Allerdings verfüge die Bevölkerung in Südafrika durch die Kombination der Impfung und die Infektion durch mehrere Corona-Wellen über eine gewisse „Populationsimmunität“. Bis zu 65 Prozent oder mehr der Bevölkerung gelten als genesen. „Wer in Deutschland nicht geimpft ist und keine Infektion durchgemacht hat, hat keinerlei Immunität“, warnte Wolfgang Preiser.

Große Sorge herrsche in den Entwicklungs- und Schwellenländern, dass der Kampf gegen Corona den Kampf gegen andere Erkrankungen schwächen könnte. Unter der Bekämpfung von Covid litten zum Beispiel andere Impfkampagnen für Kinder, die routinemäßige Versorgung von HIV-Patienten oder ganz allgemein die Krankenversorgung, weil Menschen aus Angst vor einer Infektion den Besuch der Klinik mieden oder Kliniken wegen Infektionsausbrüchen geschlossen seien. In Südafrika seien aber die Schwächen im System, die sich in der Pandemie offenbart haben, zum Anlass genommen worden, die Versorgungsstruktur für Menschen mit anderen Erkrankungen wie einer HIV-Infektion oder mit Diabetes zu verbessern.

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